Blick hinter die Kulissen von Europas NBA

Kamingespräch des Brose Bamberg Business Clubs mit Head Coach Andrea Trinchieri

Es ist ein Kampf David gegen Goliath. Der Mann nimmt ihn trotzdem an! Manchmal tut es weh, er leidet, doch die Begeisterung und die Hoffnung triumphieren. Leise und zurückhaltend, aber mit innerer Überzeugung formuliert er, in der ihm ans Herz gewachsenen facettenreichen Wortwahl: „Der Wind wird sich drehen, wir wissen nur nicht wann.“ Brose Bambergs Head Coach Andrea Trinchieri erklärte beim Kamingespräch des Brose Bamberg Business Clubs im eindrucksvollen Weingewölbe des LINDNER Hotels Schloss Reichmannsdorf die Euroleague, die Position seines Teams im Konzert der europäischen Weltklasse-Marken, die inzwischen auf den Spuren der NBA wandeln. Er öffnete dabei zumindest einen Spalt die Kabinentür und ließ in das Innenleben zwischen Coach und Team blicken – in Zeiten gewaltiger Entwicklungssprünge einer emotionalen Sportart  bei gleichzeitiger Extrembelastung durch zwei Wettbewerbe im Parallelbetrieb.

Und wie lange will er sich diesen Herausforderungen, die häufig mit gewaltigem Stress verbunden sind, in der Domstadt noch aussetzen? Die ganz konkrete Frage in der abschließenden von Business Club-Sprecher Mischa Salzmann moderierten Talkrunde umschiffte Andrea Trinchieri elegant in deutscher Sprache: „Alles wird gut!“ Und Geschäftsführer Rolf Beyer sieht mit Blick auf den laufenden Vertrag ebenfalls aktuell keinen Handlungsbedarf, definiert aber klar die Qualitäten seines Meister-Coaches: „Andrea ist ein Perfektionist. Deshalb haben wir ihn engagiert. Das ist für die Organisation manchmal anstrengend, aber nur so entwickeln wir uns erfolgreich weiter.“

Der Perfektionist sagt in einer „Phase des größten Wandels im Teamsport“ über sich selbst: „Ich lerne jeden Tag!“ Der Fußball verändere sich zwar auch, aber das sei kein Vergleich zum Basketball: „Dieser emotionale Sport ist auf dem Weg in eine neue Ära. Europa wird zur NBA, das betrifft die Strukturen und die Philosophie. Setzten einst die Coaches die Akzente, haben wir inzwischen eine Players-League.“

Trinchieri kommt ein wenig ins Schwärmen, um sofort mit einer Beschreibung der Größenordnung wieder die Bodenhaftung herzustellen: „Wir sind dabei im Konzert der Besten. Das ist großartig! Aber wir treten gegen Städte an, die hundertmal größer sind als wir. Wir sind der kleinste Standort unter den europäischen Basketball-Kraftzentren und Millionen-Metropolen. Sechs Klubs können um den Titel spielen, in einem Jahr mit größeren im nächsten Jahr mit etwas geringeren Chancen.“ Und er lobt seine Spieler, stärkt ihnen auch in schwierigsten Situationen den Rücken und blickt mit einem kräftigen Schuss Optimismus in die Zukunft: „Wir geben unser Bestes, das ist oft nicht genug, aber was kann man mehr verlangen. Wir schauen nicht zurück, sondern nach vorn, denn nur die Zukunft lässt sich gestalten, nicht die Vergangenheit. Es bringt auch nichts zu diskutieren, ob ein Glas halbleer oder halbvoll ist. Das Glas muss in Zukunft häufiger ganz voll sein. Ich bin überzeugt, der Wind wird sich drehen.

 

Schmerzen – aber kein Raum für Trauer

Und trotzdem ist es nicht zu vermeiden, in Momenten wie diesen – dem Spiel gegen Moskau – zurück zu schauen: „Das war bitter! Die Spieler nach diesem kräftezehrenden Fight und der unglücklichen Niederlage wieder aufzurichten, das ist nicht leicht. Ein Spiel gegen Moskau kann ein Team töten. Für uns war es zumindest schmerzvoll. Aber es ist kein Raum für Trauer. Die nächste Partie folgt in zwei Tagen, das ist der Fokus.“        

Wenn dem Coach etwas fehlt, dann ist es die Zeit für intensive Trainingsarbeit. Aber das ist kein Klagelied, sondern nur die Formulierung von Fakten: „Training ist das Tool, um Teams zu verbessern, ihnen Stabilität zu geben und Schwächen auszumerzen. Diese Zeit fehlt in dieser strapaziösen Saison 2016/17. Wir hatten nur einen Monat gemeinsame Vorbereitung, um uns zu finden und zu verbessern. Dann hieß es reisen-spielen-reisen-spielen. Körperlich verkraften wir das gerade noch, aber mental ist es schwierig. Das betrifft auch die Umstellung von der Euroleague auf die BBL, sofort wieder in den richtigen Modus zu kommen.“ Zahlen erklären zwar nicht alles, aber sie vermitteln ein Bild: Waren es in Andrea Trinchieris erster Saison in Bamberg noch 64 Spiele, werden es 2016/17 fast 80 sein, mit einem 60-prozentigen Wachstum im internationalen Bereich.

Das ist auch für Rolf Beyer ein Dilemma: „Wenn sich FIBA und Euroleague bei der Terminplanung nicht verständigen, kommt es zwangsläufig zu Termin-Kollisionen und zu Diskussionen mit den nationalen Verbänden.“

Wenn Teodosic mit den Augenbrauen wackelt…  

Können sich junge Spieler in diesem Umfeld überhaupt entwickeln? In der Euroleague ist das zumindest schwierig. Andrea Trinchieri verdeutlicht mit einem Beispiel, dass nur wenig Raum für Nachwuchskräfte ist: „Gegen Moskau konnte ein Maodo Lô nicht viel spielen. Das ist zu schwierig. Teodosic wackelt nur einmal kurz mit den Augenbrauen und es fegt ihn bis nach Chemnitz.“ In der BBL sei da wesentlich mehr möglich, auch für die ganz jungen Talente, wie Louis Olinde. Große Spieler, z.B. Leon Kratzer, würden etwas mehr Zeit benötigen, da sich ihr Körper noch entwickeln müsse.

Stets auf dem Gipfel der Leistungsfähigkeit müsse das gesamte Brose Bamberg Team schon deshalb sein, betont Rolf Beyer, „weil wir uns im Gegensatz zu Madrid oder Barcelona, die stets für die Euroleague gesetzt sind, in der BBL keine Schwächen erlauben dürfen. Wir müssen Meister werden, sonst sind wir nächstes Jahr nicht dabei.“

Meisterlich war auch das Ambiente für das Kamingespräch im Weingewölbe vom LINDNER Hotel Schloss Reichmannsdorf. Ulrike Schmitz-Delgado sowie Nicole Sporer und ihr Team waren wie gewohnt hervorragende Gastgeber, die sich mit viel Herz um die Mitglieder des Brose Bamberg Business Clubs kümmerten. Durch die Veranstaltung führte Business Club-Sprecher Mischa Salzmann gewohnt routiniert und elegant.     

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