Als puzzelnder „Baller“ zwischen Corona, Abitur und Bundesliga: Elias Baggette im Porträt

Vor drei Jahren hat Elias Baggette den Schritt aus Berlin nach Oberfranken gewagt und mittlerweile den Sprung aus dem Nachwuchsbereich von Brose Bamberg in die easyCredit BBL geschafft. Mit 18 Jahren debütierte der Point Guard vor wenigen Wochen in der Bundesliga, gestern in der Basketball Champions League und hat sich in den vergangenen Jahren über die Stationen Breitengüßbach, Baunach und Coburg den Weg für eine erfolgreiche Karriere Stück für Stück zurecht gelegt – unter anderem mit einem besonders unspektakulären Hobby.

Es sind noch 5:29 Minuten auf der Uhr, als der eine Berliner den anderen ersetzt. Brose Bamberg Trainer Johan Roijakkers nimmt Bennet Hundt vom Feld und bringt den erst 18-jährigen Elias Baggette ins Spiel. Was nach einem Wechsel in der Endphase eines bereits entschiedenen Spiels klingt, beschreibt die sechste Spielminute des ersten Viertels im BBL-Spiel von Brose Bamberg gegen EuroLeague-Playoffanwärter FC Bayern Basketball. „Das war schon hart, ja. Ich habe sofort gespürt, was es heißt, auf europäischem Top-Niveau zu spielen“, berichtet Elias von seinen ersten Minuten in Deutschlands höchster Spielklasse. Seine Gegenspieler zu diesem Zeitpunkt: unter anderem DJ Seeley, Paul Zipser und Jaylen Reynolds. „Für Spieler dieser Klasse ist man als junger Guard natürlich ein Schwachpunkt und wird attackiert“, ergänzt der 18-Jährige, der direkt den Druck der Münchner spürte. Innerhalb seiner 2:40 Minuten Spielzeit begeht Elias drei Fouls und nimmt deswegen wieder auf der Bank Platz. „Der Coach war aber gar nicht sauer. Er hat gesagt, dass es im ersten Spiel schwer ist, direkt gegen die Bayern zu spielen und dass ich meine Aufgabe trotzdem gut gemeistert habe.“ Eine Aussage, die Johan Roijakkers selbst bestätigt: „Ich vertraue ihm und glaube an ihn. Elias ist ein großes Talent, das alle Anlagen mitbringt und seinen Weg gehen wird.“

Diese Erkenntnis reifte in Bamberg schon 2018. Damals schlug Elias zum ersten Mal in der Domstadt auf, war zu diesem Zeitpunkt aber noch Spieler des TuS Lichterfelde in Berlin. „Yassin Idbihi (damaliger Jugendkoordinator, Anm. d. Red) nahm Kontakt zu mir auf, weil das Adidas Next Generation Tournament (ANGT) in München anstand, an dem Brose Bamberg teilnahm“, erklärt Elias. Das ANGT ist ein Turnier bei dem seit mehreren Jahren die besten Nachwuchsspieler Europas auflaufen. Als Brose Bamberg ebenfalls ein Team stellte, stießen mehrere Talente kurzzeitig zur Mannschaft, um sich im Turnier zu zeigen und Brose zu verstärken. Der Point Guard erinnert sich: „Eigentlich war für mich nur eine kleine Rolle vorgesehen und ich sollte vor allem Erfahrungen sammeln. Ich war ja auch einer der jüngsten Spieler des gesamten Wettbewerbs.“ Elias nutzte seine Chance aber und stand in jedem der vier Spiele mindestens 19 Minuten auf dem Parkett. „Ich denke, ich habe meine Sache ganz gut gemacht. Der Leistungsunterschied im Vergleich zur Jugend Bundesliga war damals aber schon enorm.“ Der positive Eindruck festigte sich und führte anschließend zum Wechsel des 1,81 Meter großen Deutschen. „Ich habe mich im Laufe des Turniers richtig wohlgefühlt und somit stand auch Brose Bamberg auf dem Zettel. Ich durfte mich zwischen ALBA Berlin und Brose entschieden. 2018 zog ich dann ins Sportinternat Aufseesianum ein.“

Dort angekommen war der damals 16-Jährige das erste Mal auf sich alleine gestellt und weg von den Eltern in Berlin. „Natürlich war das anders“, erklärt Elias und beschreibt: „Zum Glück wurde das Aufsees aber im Laufe der Zeit wie eine zweite Familie für mich.“ Dass dieser Prozess einige Zeit in Anspruch nahm, weiß Christian Seel, der pädagogische Leiter des Internats: „Ich musste meinen Kollegen am Anfang sagen, dass sie ein wenig Geduld mit Elias haben müssen, denn wir haben schnell gemerkt, dass man sich sein Vertrauen erst erarbeiten muss.“ Seel beschreibt Elias’ Art als „Berliner Street Smartness“ und präzisiert: „Elias hat nur eine Hand voll Leute, mit denen er wirklich gut ist. Das darf man aber nicht falsch verstehen, denn er kommt mit jedem gut aus. Allerdings öffnet er sich nur seinem engsten Kreis komplett und daher hat es ein bisschen gedauert, bis er bei uns im Aufsees aufgetaut ist. Dafür war er dann aber ein unfassbar lustiger Kerl, den man sehr gerne um sich hat.“

Umgeben hat sich Elias fortan vor allem mit seinen Teamkollegen, die praktischerweise „auch alle mit mir zur Schule gegangen sind und mir den Anschluss hier deutlich vereinfacht haben“, erklärt der Aufbauspieler, der so den gleichen Weg ging wie Moritz Plescher. „Moritz war schon ein Jahr vor mir hier. Mit ihm habe ich mittlerweile natürlich eine Verbindung aufgebaut, denn viele Wege trennen sich im Laufe der Zeit. Da ist es schon etwas Besonderes, dass wir zwei nun für Brose Bamberg spielen und trainieren dürfen.“ Trotzdem haben es die beiden Youngster noch „lange nicht geschafft“, meint Elias. „Wir sind ja noch keine Rotationsspieler und müssen noch eine Menge beweisen.“ Die Chance dazu könnte Elias in Zukunft immer wieder erhalten, lässt Johan Roijakkers erahnen: „Ich denke, dass Elias ein wirklich guter BBL-Spieler werden kann, denn er bringt so viel mit. Sein Instinkt ist unfassbar ausgeprägt, er hat gute Übersicht, ist ein sicherer Ballhandler und traut sich auch den Ball zu passen. Er ist einfach ein ‚Baller‘ der jetzt aber erstmal ein Jahr mit einer BBL-Mannschaft trainieren muss.“ Dass Elias nicht bereits in dieser Saison vollständig mit den Brose-Basketballern auf Korbjagd geht, hat zwei Gründe. Zum einen machte wie so häufig in letzter Zeit Corona einen Strich durch die Rechnung des jungen Spielers, zum anderen stehen in den kommenden Wochen auch die Abitur-Prüfungen des 18-Jährigen an und „das wird extrem stressig“, weiß Elias. „Aber das wird schon.“

Wesentlich ärgerlicher waren die Auswirkungen der Corona-Pandemie, die Elias im Dezember einen Riegel vor ein mögliches BBL-Debüt schoben. „Elias sollte beim Auswärtsspiel in Gießen sogar starten“, verrät Coach Roijakkers und der Spieler beschreibt die Situation aus seiner Perspektive: „Ich konnte zwei Wochen lang mit Brose Bamberg trainieren und durfte dann mit nach Gießen fahren. Der Coach hatte mir schon gesagt, dass ich spielen würde, als plötzlich eine Nachricht aus Bamberg kam. Einer meiner Mitschüler hatte sich infiziert, ich musste daher in Quarantäne und wieder abreisen.“ Der Frust saß tief: „Natürlich war ich enttäuscht, denn ich hatte auf diesen Moment hingearbeitet. Aber man konnte nichts daran ändern.“

Das erste BBL-Spiel war damit aufgeschoben. Spielzeit hat Elias im Laufe der Saison dennoch erhalten. Für den Bamberger Kooperationspartner BBC Coburg läuft der Guard in der ProB auf und übernimmt dort eine Anführer-Rolle, wie er selbst beschreibt: „Im Laufe der Spielzeit wurde ich zum Starter auf der Eins und stehe in den entscheidenden Phasen auf dem Court. Nach einigen Startschwierigkeiten sind wir mittlerweile voll auf Kurs und erfolgreich.“ Die Coburger hatten zum Redaktionsschluss einen Platz unter den Top drei der Liga sicher und auch für Elias selbst lief es rund: in zehn von 14 Spielen punktete er zweistellig und kommt auf 13,1 Punkte und 3,7 Assists im Schnitt. Bereits im Vorjahr wurde Elias als bester Nachwuchsspieler der ProB im Trikot der Baunach Young Pikes ausgezeichnet.

Dass der Balanceakt zwischen Abitur, ProB und BBL dem 18-Jährigen nicht um die Ohren fliegt, hat laut Christian Seel bestimmte Gründe: „Er ist persönlich ein ruhiger Typ, der es selbst schafft, runterzukommen und Ruhe zu finden - manchmal auch mit seinen ganz eigenen Mitteln“, wie der pädagogische Leiter mit einem Lachen ergänzt: „Jedes Mal, wenn ich in Elias’ Zimmer gekommen bin, lag auf seinem Tisch ein Puzzle. Er macht das unheimlich gern, nimmt sich die Zeit dafür und legt dann auch mal sein Handy weg. So schaltet er am besten ab.“ Zum Geburtstag gab es für Elias daher auch ein Kobe Bryant-Puzzle, das extra aus China geliefert wurde. „Bei allen Eigenschaften und Besonderheiten der Jungs hier im Aufsees stach das schon immer ein wenig hervor.“

Stück für Stück baut Elias also sowohl an kleinen Bildern, als auch am ganz großen: „Ich will nach und nach vorankommen. Das bedeutet, dass ich mich jetzt erstmal etablieren will, um in der kommenden Saison fester Bestandteil einer Mannschaft zu sein“, erklärt das Talent. „Ich will schauen, was für mich möglich ist, zunächst aber in der BBL Fuß fassen – und das natürlich am liebsten in Bamberg.“

Alle Nachrichten