"Ich fühle mich wie ein Schulbusfahrer"

In unregelmäßigen Abständen schreiben Euroleague-Trainer über ihre Erfahrungen in der besten Liga Europas. Den Anfang machte Andrea Trinchieri. Das Original ist nachzulesen auf www.euroleague.net, hier die deutsche Übersetzung.

Eine der Aufgaben eines Trainers ist es, die Verbesserung seiner Spieler zu stimulieren. Daher machte ich in der Vorbereitung einen Test mit meinem Team. Ich habe sie in eine Art Klassenzimmer gesetzt und gab ihnen rund 20 Fragen über die Euroleague. Wer sind Spanoulis und Jasikevicius? Welcher ist Bodirogas bester Move? Wie haben sie zu spielen? Sie wären von den Antworten überrascht. Aber es war eine lustige Art und Weise für die junge, aber hungrige Truppe, sich der Euroleague zu nähern.

Eine andere Sache, die wir am Anfang der Saison gemacht haben: anstatt dass ich darüber geredet habe, was die Euroleague ist, habe ich das einen Spieler machen lassen. Trainer reden die ganze Zeit, tun dies und tun das. Daher ist es manchmal besser, wenn ein Spieler zu den Spielern spricht. Also sagte ich zu Nikos Zisis: "Bitte erläutere deinen Teamkollegen, was die Euroleague anders, besonders macht.“ Nikos sagte ihnen: "Alles ist schneller. Alles ist körperlicher. Jeder Besitz zählt. Wenn man ein paar schlechte Aktionen nacheinander hat, dann ist das in der heimischen Liga  kein großes Problem, dann kassiert man einen 0:5-Lauf, kann aber reagieren. In der Euroleague wird das ganz schnell ein 2:12-Lauf und du kommst nicht wieder zurück.“

Ich glaube, dass man in der Euroleague noch konzentrierter sein und vor allem noch körperlicher zu Werke gehen muss. Konzentration ist nicht nur erforderlich, sie ist lebensnotwenig. Das Level an Basketball-Wissen und die Geschwindigkeit, die man haben muss, ein Spiel lesen zu können und zu reagieren – alles ist in der Euroleague schneller. Der Trick für uns ist es, nach Dingen zu suchen, die unsere Unerfahrenheit wett machen. Um es einfach zu machen, sagte ich ihnen: wenn ihr in der Euroleague spielt, dann kämpft um jeden Ball, als ob es der letzte eurer Karriere wäre. Spielt mit Sorgfalt, Konzentration, mentaler Stärke: als wäre es der letzte Ballbesitz im letzten Spiel eurer Karriere. Auf diese Weise appelliert man an das Verantwortungsbewusstsein seiner Spieler.

Wenn wir gegen eine große Mannschaft spielen, dann sind wir ein Team von Euroleague-Neulingen, die einfach nicht die Erfahrung vieler Spiele auf diesem Niveau haben. Man benötigt also eine gemeinsame Basis, auf der man mit ein wenig Selbstwertgefühl spielen kann, um sich den Widrigkeiten, die sicher kommen werden, zu widersetzen. Das Leben, schlussendlich, ist immer das Finden von Lösungen, um Widrigkeiten zu meistern. Wenn wir also nicht genug Basketballerfahrung mitbringen, müssen wir das durch eine gemeinsame Basis wett machen. Unsere Leidenschaft und Liebe für das, was wir tun, ist diese gemeinsame Basis.

Wenn wir in eine neue Halle kommen, dann habe ich neun oder zehn Spieler, die mit weit aufgerissenen Augen da stehen und sich umschauen. Das zeigt wie neu wir sind. Als wir in Moskau spielten und sie die Namen an der Wand sahen, fragten sie, wer dieser und jener Spieler sei. Es ist in gewisser Art und Weise romantisch. Ich fühle mich, als ob ich einige junge, talentierte, gute Jungs auf die große Bühne mitnehme. Oder, als ob ich der Schulbusfahrer bin auf dieser erstaunlichen Reise namens Euroleague. Was ich aber keinesfalls will, ist, dass wir die anderen zu sehr bewundern. Am Ende heißt es immer fünf gegen fünf. Vielleicht ist die andere Mannschaft besser, aber sie muss es sich verdienen. Wir schenken ihnen nicht das Spiel, nur weil sie mehr Erfahrung haben oder talentierter sind. Sie müssen es von uns gewinnen.

In dieser Saison haben wir das in Málaga gegen Unicaja nicht gemacht. Sie zerstörten uns einfach im Rebound. Es war schmerzhaft. Wir haben aber daraus gelernt, es gegen Darüssafaka in der nächsten Woche besser gemacht und so unser Heimspiel gewonnen. Dann haben wir versucht, in Moskau gegen CSKA zurück zu kommen. Wir kämpften, aber wir haben verloren. Und schließlich, letzte Woche, haben wir Zuhause gut gegen Maccabi gespielt und gewonnen. Aber Schlüsselspiele für ein Team wie uns, sind, wenn man in Moskau mit 13 zurück liegt und in die letzten zwei Minuten mit einer Führung geht.

Ein Spiel wie dieses gibt dir das Gefühl, dass du ein großes Spiel gespielt hast. Es hat zwar immer noch etwas gefehlt, schließlich haben wir verloren. Aber zumindest haben wir gezeigt, dass wir auch nach einem großen Rückstand gegen ein Spitzenteam zurückkommen können. Wir hielten zusammen und arbeiteten einen Plan aus, der leider nicht funktionierte. Für solche Fälle brauchen wir noch mehr Persönlichkeit. Die Spieler mussten Verantwortung übernehmen und das Momentum ändern. Und das taten sie. Wir waren nahe dran am Sieg. Aber am Ende war CSKA besser. Was uns das Spiel in Moskau aber gebracht hat, haben wir die Woche drauf im Spiel gegen Maccabi gezeigt. Wir hatten ein richtig mieses drittes Viertel, haben das aber abgeschüttelt und richtig stark im Schlussabschnitt gespeilt. Wir haben es geschafft, die guten Dinge aus Moskau mit ins nächste Spiel zu nehmen. Es ist erstaunlich, was man mit Leidenschaft für seine Spieler erreichen kann. Der Lernprozess hört nie auf.

Jeder spricht über Erfahrungen. Jeder Trainer würde Erfahrung kaufen, wenn er dafür das richtige Geschäft finden würde. Der einzige Weg, um Erfahrung zu bekommen, ist es das Spiel zu spielen und in stürmischen Gewässern zu schwimmen. Das sage ich meinen Spielern: Jede Niederlage und jede schlechte Erfahrung hinterlässt eine Narbe auf ihrem Körper. Das nächste Mal, wenn sie spielen, wenn das Spiel hart wird, dann drücken sie mit den Fingerspitzen auf diese Narbe und erinnern sich daran, was sie verursacht hat. Das ist der Weg, um Erfahrung zu aufzubauen. In Málaga waren wir unsicher, was uns bei unserem ersten Euroleaguespiel erwarten würde. Wir hatten überhaupt keine Energie. Seit diesem Tag aber haben wir alle Reboundduelle gewonnen. Wir haben unsere Finger auf die Narbe gelegt.

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