Von kurzfristig stornierten Direktflügen, vorhersehbaren Überraschungen und wässrigem Filterkaffee: herzlich willkommen in Karsiyaka

Hallo aus Karsiyaka. Mein Name ist Thorsten Vogt, ich bin Mediendirektor bei Brose Bamberg und nehme euch mit auf einen kleinen Blick hinter die Kulissen unserer Reise in den Landkreis Izmirs.

Bei Blogs aus und über die Türkei bzw. türkische Städte muss man aufpassen. Was man schreibt. Wie man schreibt. Sicher ist sicher. Denn man weiß schließlich nie wirklich, wer mitliest. Daher: Izmir. Bzw. Karsiyaka. Das heißt übrigens auf deutsch soviel wie „Gegenufer“ und ist eine Art Landkreis mit knapp 330.000 Einwohnern. Izmir selbst kommt alles in allem auf knapp 4,3 Millionen, ist damit die drittgrößte Stadt der Türkei. Und sehr westlich geprägt. In Karsiyaka nämlich steht eines der Häuser, das der Familie Latife Ussaki, der Frau Kemal Atatürks, gehörte. Daher ist hier alles eher westlich geprägt, sprich, man sieht mehr Fotos und Riesenplakate des Republikgründers, denn des aktuellen Präsidenten. Und es ist eine Stadt der Gegensätze. Eingestürzte, alte Häuser stehen neben höchstmodernen Hochhauskomplexen. Alles einseitig umsäumt vom Golf von Izmir mit seinem in Izmir befindlichen zweitgrößten Hafen der gesamten Türkei. Hier herrscht, wie im gesamten Land, aktuell eine strenge Ausgangssperre, die allerdings nicht für Touristen gilt. Wobei es hiervon aufgrund der aktuellen COVID-Situation sowieso aktuell eher recht wenige gibt. Was auch mit daran liegen mag, dass es aktuell schwer ist, in die Türkei einzureisen…

Damit sind wir beim Thema: reisen. Immer wieder schön. Immer wieder anstrengend. Izmir im Winter sowieso. Direktflug? Nein, ist nicht. Also doch, schon, es gibt einige. Die haben sie uns aber allesamt in der letzten Woche abgesagt. Daher Frankfurt – Istanbul – Izmir. Alles in allem zwölf Stunden in Bussen und Fliegern. In vollen Fliegern. Von Lockdown am Frankfurter Flughafen nämlich alles, nur nichts zu sehen. Auch der Flieger. Voll. Komplett. Wahnsinn. Jetzt die Hoffnung, dass auch mit dem Rückflug alles gut geht. Gleiche Route. Allerdings an Heiligabend. Planmäßig sollten wir um halb eins in Frankfurt landen. Mal sehen, ob das klappt und der Flieger und damit auch das Christkind am Abend pünktlich kommt. Das Reisen selbst hört sich ja immer nicht so anstrengend an. Bisschen im Bus rumsitzen, am Flughafen, im Flieger. Das ist doch nichts. Das stimmt allerdings nur bedingt. Das Sitzen, ja. Nicht anstrengend? Nein. Wenn man zwölf Stunden unterwegs ist, dann ist man am Abend geräderter, als wenn man einen Tag komplett durchgesportelt hat. Auch daher war es sinnvoll, dass wir bereits am Montag angereist sind, um den Dienstag zur Regeneration und Spielvorbereitung nutzen zu können. Und noch etwas hat diese Reise gezeigt. bzw. mich gelehrt. Ich hatte und habe jetzt noch riesengrößeren Respekt vor Personen- und Berufsgruppen, die Berufs wegen ganztägig eine Maske tragen müssen, um sich und vor allem andere zu schützen. Zehn bis zwölf Stunden durchgängig – das ist kein Spaß. Danke daher an alle, die das täglich für uns durchstehen.

So ein Champions League Spiel beginnt grob eine Woche vor der eigentlichen Partie. Da nämlich kommen die ersten Mails seitens der BCL mit den Kadern der jeweiligen Mannschaften und der Schiedsrichter. Richtig gehört. Europäisch weiß man immer weit vorher, wer einen pfeift. Anders ja in der BBL, wo die Vereine erst mit dem Hallenbetritt der Unparteiischen sehen, wer heute für ihr Spiel zuständig ist. Nach dieser ersten Mail gibt es verschiedensten weiteren Austausch mit dem sogenannten „Official BCL Delegate“, auf gut deutsch dem „technischen Kommissar“, also dem Spielleiter. Den trifft man auch vor Ort als ersten Ansprechpartner der BCL, meistens beim Shoot Around am Spieltag. Da nämlich werden die Pässe der Spieler kontrolliert und – ganz wichtig aktuell – ob ein negativer PCR-Test vorliegt, der nicht älter als „game day minus three“, also nicht älter als drei Tage sein darf. Das Praktische an der BCL ist übrigens auch, dass man vor Überraschungen bei der anderen Mannschaft gefeit ist. Das Roster darf nämlich nur bis Montag, 24 Uhr, vor Spielbeginn verändert werden. Zudem wird sofort über neue Spieler seitens der Liga informiert. Auch das ist in der BBL anders. Auch dort gibt es zwar Deadlines, bis wann ein neuer Spieler gemeldet sein muss, damit er eingesetzt werden darf. Es herrscht jedoch keine Meldepflicht gegenüber dem gegnerischen Verein. Daher kann es sein, dass man in eine Halle kommt und plötzlich ein Spieler beim Warmmachen auf dem Feld steht, den man zuvor noch nie gesehen hat. Ist uns übrigens schon einmal passiert. Anno dazu mal in Göttingen. Da wusste selbst der Hallensprecher beim Vorstellen der Heimmannschaft nicht, wer der Neue da war. Der hieß damals Chris Jones, hat exakt dieses eine Spiel für die BG gemacht, uns aber 15 Punkte eingeschenkt und war damit Topscorer seines kurzzeitigen neuen Arbeitsgebers.

Ich persönlich mag die Türkei, hatte vor mittlerweile gut 20 Jahren beschlossen – natürlich einer Frau wegen – die Sprache zu lernen. Übrigens das Schwerste, was ich bisher lernen musste bzw. wollte. Türkisch ist eine agglutinierende Sprache. Vereinfacht gesagt: man kann Wörter durch das Anhängen verschiedener Suffixe eine komplett andere, zumindest aber grammatikalisch unterschiedliche Bedeutung geben. Ebenso kann man im Türkischen mit einem Wort einen ganzen deutschen Satz ausdrücken. Das längste türkische Wort hat übrigens 75 Buchstaben, ist damit das längste Wort der Welt und heißt

„Muvaffakiyetsizleştiricileştiriveremeyebileceklerimizdenmişsinizcesinesiniz“.

Eine genaue Übersetzung ins Deutsche ist dabei nicht möglich. Vielmehr ist damit gemeint, dass man selbst einer Person ähnelt, die nicht schnell an etwas scheitert. Aber egal, das nur am Rande und genug der sprachwissenschaftlichen Exkursion. Ich mag also die Türkei. Ich mag Istanbul, eine faszinierende Stadt. Was ich allerdings nicht mag: den Kaffee. Wobei man unterscheiden muss: ein guter türkischer Kaffee auf einem kleinen türkischen Markt – toll. In unserem Hotel allerdings haben wir Filterkaffee. Wässrigen noch dazu. Aus einer Maschine, die heutzutage wahrscheinlich gar nicht mehr hergestellt wird. Das macht es zwar eigentlich schon wieder liebenswert, bringt dem Geschmack jedoch nicht wirklich etwas. Aber das soll’s auch schon mit der Meckerei gewesen sein. Sonst ist alles top. Und hilfsbereit. Sehr hilfsbereit sogar. Wir benötigen nämlich für die Rückreise einen aktuellen COVID-Test, der nicht älter als 48 Stunden sein darf. Da wir bereits am Montag einreisten, ist unser deutscher Test bei der Ausreise nicht gültig. Die Kollegen von Karsiyaka haben uns bestens unterstützt, Ärzte in die Halle kommen lassen und unseren Test abgenommen. Das Ergebnis war innerhalb von zwölf Stunden da. Top. Und negativ. Das heißt, wir dürfen ausreisen. Und wenn jetzt noch morgen alle Maschinen so fliegen, wie wir uns das wünschen und sie sollen, dann sind wir um 12.30 Uhr in Frankfurt und können Heiligabend mit der Familie verbringen. Daher: Klopfen auf Holz, dass auch alles so funktioniert…

Damit sind wir am Ende des letzten Reiseblogs eines herausfordernden Jahres angekommen. Ich bedanke mich für das stetige Interesse, die Rückmeldungen, Anmerkungen, Kritiken und Lobhudeleien. Ich wünsche Ihnen und euch allen ein frohes Weihnachtsfest, einen guten Rutsch und freue mich darauf, wenn wir uns nächstes Jahr wieder lesen. Wann und von wo das sein wird, steht noch nicht fest. Wenn wir uns für die nächste Runde qualifizieren, ist die Auslosung im Februar. Danach wissen wir alle mehr. Allerdings gilt natürlich wie immer: sollten Fragen oder Wünsche da sein, dann steht mein Postfach unter thorsten.vogt(at)brosebamberg(dot)de immer und jederzeit offen.

In diesem Sinne, bleibt sportlich!

 

 

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